Der Film "Das Wunder von
Berlin" erinnerte mich an diesen Tag, den ich hier aus eigenem Erleben
beschreibe.
Mir wird dieser Tag unvergessen
bleiben. Folgendes trug sich zu:
war mein letzter Urlaubstag des
Jahres 1961 als (Noch-) DDR-Armeeangehöriger. Man erinnere sich, ich hatte die
Entlassung
von der Armee durchgesetzt. Den mir noch zustehenden Jahresurlaub hatte ich
nutzen wollen um meine künftige Wohnung in Eisenach bewohnbar zu machen.
Wir werden es in
Schöneweide? / Schönefeld? / Lichtenfelde? (Entschuldigung, hier
ist mein Erinnerungsvermögen eingeschränkt) ... mit der
Grenzpolizei klären. Das sah dann am Ende aber ganz anders aus.
Am 13. August 1961 war der Urlaub beendet
und ich machte mich in Uniform per Bahn auf den Weg zu meiner
Dienststelle nach Cottbus. Dort sollte die Entlassungsprozedur
stattfinden. Zu diesem Zeitpunkt waren mir die Vorgänge um
Berlin noch gar nicht präsent. Der von mir benutzte Zug hielt
auf dem Weg Richtung Cottbus nur in Leipzig und fuhr dann weiter
nach Berlin. Ich hätte also in Leipzig umsteigen müssen. Vor
Erschöpfung wohl, oder einfach nur wegen Müdigkeit verschlief
ich den Umstieg. Das war für mich fatal, denn der Dienstauftrag
lautete eben auf Umsteigen in Leipzig. Ich war, als ich den
Fehler bemerkte, im höchsten Grade irritiert. Ich wusste aber,
dass damals stets Bahnpolizisten die Züge begleiteten. Denen
wollte ich meinen Fehler sofort vortragen und fand sie in einem
anderen Wagon.
"Wir werden der dortigen Grenzpolizei mitteilen, dass Sie sich
bei uns sofort gemeldet haben", lautete deren Stellungnahme.
Damit hoffte ich aus der Bredouille zu sein. Aber weit gefehlt. Die
Bahnpolizisten entfernten sich sang- und klanglos als der Zug an
der Kontrollstation anhielt und überließen mich schutzlos der
Grenzkontrolle. Man führte mich dem Kommandeur des
Grenzkontrollpunktes vor, der mein Verhalten als den Versuch
wertete, noch schnell vor Vollendung des Mauerbaus, in
Armeekleidung getarnt, die DDR verlassen zu wollen. Das muss ihn
wohl dazu veranlasst haben, meine Dienststelle in Cottbus zu
unterrichten. Die schickte zwei bewaffnete Offiziere meiner
Einheit mit Dienstwagen zu der Grenzstation, um mich dort
abzuholen. Bis zum
Eintreffen der "Genossen" wurde ich unter Arrest gehalten.
Armeeangehörige durften damals ohne entsprechenden Dienstauftrag
nicht nach Berlin einreisen. Was wäre gewesen, wenn an diesem
Tag das Regime der DDR nicht mit dem Mauerbau begonnen hätte,
frage ich mich heute. So richtig ernst konnte ich den ganzen
Vorgang nicht nehmen. Alle Fakten sprachen für meine Version und
am Ende würde die Sache schon in Ordnung kommen, dachte ich. In
Cottbus angekommen, führte man mich direkt zum
Divisionskommandeur. Dieser blähte sich vor mir gewaltig auf, um
mir eine Standpauke zu halten. Die ließ ich wortlos über mich
ergehen mit dem Gedanken im Hinterkopf, "die können mich mal,
morgen bin ich sowieso weg."
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Transitzüge seit 1961
Stand Jan. 2008
Im Verkehr mit Berlin fuhren die Transitzüge ohne planmäßigen Halt
durch die DDR. An den Grenzbahnhöfen betrug die Wartezeit zehn bis zwölf
Minuten. Die
Passkontrolle
der DDR erfolgte während der Fahrt zwei Mal, bei Ein- und Ausreise aus der DDR.
Die Züge wurden auf DDR-Gebiet von Angehörigen einer
Passkontrolleinheit
des
Ministeriums für Staatssicherheit begleitet. Bis zum Inkrafttreten des
Transitabkommens
im Jahr 1972 wurde auch das Gepäck durch den DDR-Zoll kontrolliert. Notwendige
Betriebshalte sicherte die Transportpolizei ab, indem sie den Zug so umstellte,
dass kein DDR-Bürger den Zug betreten und
Republikflucht
begehen konnte. Die Transitzüge waren auf DDR-Gebiet mit
Reichsbahn-Personal besetzt,
Mitropa-Speise-,
Liege-
und
Schlafwagen
bewirtschafteten Mitarbeiter der Mitropa, umgekehrt galt das gleiche für
DSG-Wagen. In Berlin begannen und endeten die Züge im
Bahnhof Berlin Friedrichstraße, wo die Grenzkontrolle innerhalb des Bahnhofs
vor dem Betreten und nach dem Verlassen des
Bahnsteigs
erfolgte. In West-Berlin hielten die Züge am
Bahnhof Berlin Zoologischer Garten, ab 1976 auch in
Berlin-Spandau
oder
Berlin-Wannsee.
In die Transitzüge von und nach Berlin-Stadtbahn
durfte auf DDR-Gebiet niemand einsteigen. Ausnahme waren manche Grenzbahnhöfe an
der DDR-Westgrenze zur Ausreise in die Bundesrepublik. Hierbei war die Praxis
unterschiedlich: Ein- und Ausstieg in
Gerstungen
war verboten, ebenso seit den 1970er Jahren in
Probstzella. Ausnahme war dort ein besonderer Zubringerzug von
Saalfeld
zu einem der Transitzüge. In
Schwanheide,
Gutenfürst
und
Marienborn
durfte in Züge des DDR-Binnenverkehrs umstiegen werden.
Über Lautsprecher am DDR-Grenzbahnhof – beispielsweise in Marienborn – wurden
die Fahrgäste mit Fahrtziel Berlin wie folgt begrüßt: „Werte Reisende! Wir
begrüßen Sie im Bahnhof Marienborn in der Deutschen Demokratischen Republik.
Reisende, die nicht bis Berlin fahren wollen, werden aufgefordert, sofort den
Zug zu verlassen.“
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